Sterben ist wie…
…einen engen Schuh ausziehen. – Ram Dass
Am Anfang denkst du, dein Ich, deine Identität ist wie eine zweite Haut. Sie herunterzureißen, würde einen Teil von dir kosten und sicherlich mit Schmerzen verbunden sein. Dann erkennst du, dass es sich bei deinem Ich eher um so etwas wie deine Kleider handelt. Sie umhüllen dich, aber du erkennst ganz klar, dass du sie nicht bist. Wenn du deine Hose trägst, wirst du ja auch nicht zu deiner Hose.
Mit dieser Erkenntnis wunderst du dich, warum du immer noch so an deinem Ich hängst, wo du doch erkannt hast, dass du es nicht bist. Und du stellst fest, dass du Vorlieben hast. Du liebst dein Ich, das dich schon so lange so gut kleidet. Du willst es nur ungern ablegen, obwohl du weißt, dass es nicht weh tun wird. Oder hat es dich schon mal geschmerzt, abends beim Zubettgehen deine Kleider abzulegen? Du stellst auch fest, dass du Gewohnheiten hast. Du bist es gewohnt, dass dieses Ich da ist. Vielleicht nervt es manchmal, vielleicht ist es der Grund für deine Sorgen, doch es ist dir zumindest vertraut.
Doch wie bei jedem Abschied verblasst der Schmerz, je mehr Zeit ins Land zieht. Irgendwann merkst du, dass die Vorliebe für dein Ich nur noch eine verschwommene Erinnerung ist und dass deine Gewohnheit, dein Ich zu tragen, durch die neue Gewohnheit, nackt und wahrhaftig zu sein, abgelöst wurde.
Zu glauben, dass Ich loszulassen sei gleichbedeutend mit Sterben, ist tatsächlich nur eine Idee. Eine Idee des Ich, selbstverständlich. Tatsächlich ist Sterben aber nichts anderes „wie einen engen Schuh ausziehen“ wie Ram Dass es nennt. Dein wahres Selbst ist so viel mehr als das begrenzte Ich. Deine Sehnsucht nach Freiheit ist größer als dein Wunsch nach Kontrolle.
Sterben hat nichts damit zu tun, wann dein Körper diese Erde verlässt. Sterben ist der Moment, in dem du bereit bist, den engen Schuh deiner begrenzten Identität auszuziehen, um endlich wieder frei atmen zu können, um endlich wieder verbunden zu sein mit allen, um endlich wieder angeschlossen zu sein an das unendliche Feld der Möglichkeiten.
Überprüfe deine Vorlieben: Zu enge Kleider oder die Unendlichkeit der Schöpfung?